Das Fenster in der Küche ist mein Fernsehapparat

…das Leben auf der Strasse das Programm…"

So beginnt eines der 70 Lieder, die ich in meinen zwei Strassenmusikerjahren in San Diego schrieb.
Ich beobachte gerade, wie seit 8 Uhr ein Mann Ziegelsteine in eine Schubkarre packt.
Das ist keine olympische Disziplin.

Ich erinnere mich, dass ich in meinen wilden Bauhandwerkerjahren einmal eine 20-Tonnen-LKW-Ladung 50 Meter weit und zwei Meter hoch karrte.
Wegen dem Geld, das ich für Miete und Nahrung brauchte.
Einmal, als ich einen Estrich einbaute, lief ein Immobilienmakler samt Kundin "just in time" über mein soeben fertiggestelltes Bauwerk.
"Das probierst Du auch mal", dachte ich mir, "ich schindere hier wie ein Ochse und der bekommt soviel Geld für diesen Job, der ja mehr was für Gehbehinderte ist".  Einige Wochen später fand ich während meiner zahllosen Bauhandwerkeraufträge einen zahlungswilligen Kunden für ein  Millionenobjekt und wanderte im Blaumann in ein piekfeines Münchener Anwaltsbüro. Fast hätte ich die satte Provision auch bekommen.

Wer weiss, was aus mir geworden wäre,  wenn mein Kunde im Anbieter-Finale den Zuschlag bekommen hätte.

Der Schein bestimmt das Bewusstsein. Auch in bin korrumpierbar. Vor vielen Jahren habe ich einmal mit 200 Abiturienten im Goethe-Gymnasium und am nächsten Tag für 4 Rentnergruppen diesen schönen Text gesungen, den auch ABBA und die Beatles als zukünftige Hymne nicht toppen können:

https://www.myspace.com/europeananthem

Ich will nicht über die 100 Mark meckern, die ich für diese zehn Stunden bekam. Ich bin über mich selber erschrocken. Bei der letzten Minimucke sass ich da – anstatt aufzustehen und  nachhause zu gehen – und hörte mir den Schwachsinn an, den die EU-Bonze im Europäischen Haus auf die Rentner losliess.

1993-1995  zockte ich mit Puts und Calls an der Börse, verdiente sogar ein paar tausend Mark damit, wollte aber vor allem verstehen wie das System funktioniert.

Jetzt weiss ich es:

Wie ein Bankraub, den die Polizei bewacht. Beim Abtransport der Beute hilft. Und sich die Beute mit den Dieben teilt.

Über schotti

* geb. 1949 in Berlin * 1967-1971 Physikstudium an der Humboldt-Universität Berlin * 1975 Diplom in München * 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Astrophysik in Garching * 1977-1978 Redakteur beim Elektronik Journal München * 1979-1988 Aufbau eines Bauhandwerkbetriebes in München * 1989-1990 Songwriter/Sänger in San Diego (USA) * 1991-heute eigenfinanzierte Forschungsarbeit in Berlin

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